Das Europäische Parlament nahm heute einen Entschließungsantrag der Sozialdemokratischen Fraktion an, der eine moderne Form der Kindersklaverei in Haiti scharf verurteilt. Nach einer traditionellen Praxis, die als ‚Restavek‘* bekannt ist, werden Kinder von ihren Familien verkauft, um häusliche Zwangsarbeit zu verrichten, wobei sie oft auch Gewalt erfahren und sexuell missbraucht werden. Betroffen sind rund 400.000 Kinder, 60% davon Mädchen. Das Europäische Parlament fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, Haiti bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu helfen. Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, ihre Hilfe an das Land nicht genau dann zu verringern, wenn sie am meisten benötigt wird.

 

Elena Valenciano, für Außenpolitik und Menschenrechte zuständige Vizevorsitzende der S&D Fraktion, sagte dazu:

„Haiti ist ein Land, das durch die Kolonisierung und Besatzung in der Vergangenheit, durch Naturkatastrophen, Elend und Hunger, aber auch durch einen Großteil seiner herrschenden Klasse kaputtgemacht worden ist. Heute ist Haiti das ärmste Land in der westlichen Hemisphäre; zwei Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die Ärmsten der Armen sind aber die Jungen und Mädchen, die zur Sklaverei im Haushalt verkauft werden, wo sie nur allzu oft Opfer von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch werden. Diese barbarische Praxis der modernen Kindersklaverei muss ausgerottet werden.

Nachdem Haiti im Laufe des vergangenen Jahres endlich ein Mindestmaß an politischer und demokratischer Stabilität wiedererlangt hat, braucht das Land unsere Unterstützung mehr denn je, um dringend notwendige Reformen durchzuführen und den endlosen Kreislauf von Armut, Analphabetentum und Kindersklaverei zu durchbrechen. Wir fordern die EU und ihre Mitgliedsstaaten sowie die internationale Gemeinschaft auf, ihrer Verantwortung nachzukommen und Haiti zu helfen, die Kinder zu beschützen.“

 

Norbert Neuser, entwicklungspolitischer Sprecher der Sozialdemokratischen Fraktion, ergänzte:

„Um den Teufelskreis von Armut, Analphabetentum und Kindersklaverei zu durchbrechen, in dem Hunderttausende haitianische Kinder gefangen sind, muss die Regierung die Schulpflicht durchsetzen. Die meisten Haushalte erlauben ihren sogenannten Restavek-Kindern keinen Schulbesuch, wodurch sie deren Chancen auf einen guten Job in ihrem späteren Leben erheblich beeinträchtigen. Tragischerweise werden deren Kinder dann ihrerseits Gefahr laufen, Haushaltssklaven zu werden und unter Bedingungen zu leben, die von den Vereinten Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation als Sklaverei bezeichnet werden.

Wir fordern die Regierung Haitis auf, den regelmäßigen Schulbesuch und die ihrem Alter angemessene Unterbringung der Kinder sowie die Registrierung aller neugeborenen Kinder durchzusetzen. Alle Kinder verdienen Schutz und Bildung.

Wenn es der EU damit ernst ist, diesen Kindern zu helfen, ihrem Elend zu entkommen, müssen wir im Rahmen des künftigen Europäischen Entwicklungsfonds dafür sorgen, dass im Schwerpunktbereich Bildung die Durchsetzung der Schulpflicht überwacht und das Problem der Restavek-Kinder deutlich angesprochen wird.“

 

* Restavek ist ein haitisch-kreolischer Begriff, der wörtlich ‚bei jemandem bleiben‘ bedeutet. Was ursprünglich als System gedacht war, um Kinder zum Leben zu wohlhabenderen Verwandten in der Stadt zu schicken, damit sie eine Ausbildung erhalten und ein besseres Leben genießen, hat sich in den letzten Jahren verschlechtert.

Restavek ist eine Form des inländischen Menschenhandels und der modernen Sklaverei geworden, insbesondere angesichts des gestiegenen wirtschaftlichen Drucks auf das Land nach dem verheerenden Erdbeben von 2010. Zusätzlich zu den langen Arbeitszeiten werden diese Kinder oft körperlich, sexuell und verbal missbraucht, wie die Internationale Arbeitsorganisation berichtet.