Kinder und Strafrecht: Keine Kürzungen auf Kosten der Kinderrechte

„Die europäischen Regierungen müssen ihre budgetären Bedenken beiseiteschieben und dafür sorgen, dass Kinder, denen in einer Polizeiwache oder vor einem Richter Verbrechen zur Last gelegt werden, einen besonderen Schutz erhalten“, sagten die europäischen Sozialdemokraten heute in Brüssel, nachdem der Ausschuss des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres einen Entwurf für Bestimmungen zur Stärkung von Schutzmaßnahmen für Minderjährige in Strafverfahren angenommen hat.

Nach Schätzungen der EU-Kommission sind jedes Jahr über eine Million Kinder in der Europäischen Union in Strafverfahren verwickelt, wobei die Lage in den EU-Ländern unterschiedlich ist. Im Vereinigten Königreich etwa können zehn Jahre alte Kinder angeklagt werden.

Derzeit haben lediglich sechs Mitgliedsstaaten (Belgien, Tschechische Republik, Italien, Luxemburg, Slowakei) eine spezielle Jugendstaatsanwaltschaft, und neun Mitgliedsstaaten haben nicht einmal Jugendgerichte. Eine Sonderausbildung für Richter und Anwälte, die bei ihrer Arbeit mit Kindern zu tun haben, ist nur in 12 Mitgliedsstaaten verpflichtend. In einigen Mitgliedsstaaten gibt es keine rechtliche Verpflichtung, Kindern Unterstützung durch einen Anwalt zu geben; in anderen ist eine solche Unterstützung nur vor Gericht, nicht aber in Polizeistationen verfügbar; und in manchen Ländern ist die Entscheidung darüber vom zuständigen Gericht abhängig.

Den heute angenommenen Bestimmungsentwürfen zufolge werden Kinder immer von einem Anwalt unterstützt werden müssen, falls erforderlich schon ganz zu Beginn der Anklageerhebung. Rechtsbeistand wird ein gesetzlicher Anspruch werden, auf den man unter keinen Umständen verzichten kann.

Darüber hinaus müssen in Zukunft Befragungen von Kindern während der Untersuchung aufgezeichnet werden. Zudem werden sie das Recht erhalten, ihre Eltern zu kontaktieren und von ihnen unterstützt zu werden. Im Falle einer Festnahme werden Kinder von Erwachsenen getrennt festgehalten werden müssen. Und schließlich werden Strafverfahren mit Kindern hinter verschlossenen Türen stattfinden müssen, um sie vor den Medien und vor Stigmatisierung zu beschützen.

Caterina Chinnici, ehemalige Richterin und sozialdemokratische Europaabgeordnete, die diese Vorschläge im Namen des Europäischen Parlaments erarbeitet hat, sagte dazu:

„Die heutige Abstimmung ist ein erster wichtiger Schritt zur Festsetzung von gemeinsamen Mindestvorschriften, um einen gerechten Prozess für Kinder in allen Phasen der strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren sicherzustellen.

Die zwei wichtigsten Ziele unserer Vorschläge sind das Wohl des Kindes und die Hebung des Niveaus der Verfahrensgarantien für Verdächtige im Kindesalter, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zugang zu einem Rechtsanwalt.“

Tanja Fajon, Vizevorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, sagte:

„Diese Bestimmungen bedeuten nicht, dass Minderjährige für ihr Fehlverhalten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wie es in ihren nationalen Gesetzen vorgesehen ist. Wir können jedoch nicht so tun, als ob ein zwölfjähriges Kind sich vor einem Polizeibeamten oder vor einem Staatsanwalt wie ein Erwachsener verteidigen könnte. Das wäre völlig ungerecht und auch gefährlich. Daher wollen wir sicherstellen, dass ihre Schutzvorkehrungen mit Rücksicht auf ihr junges Alter und ihre Schutzbedürftigkeit gestärkt werden.“