„Wählerstimmen geben keine Berechtigung, die Demokratie zu zerstören“, sagt Iratxe García dem polnischen Ministerpräsidenten Morawiecki in der Plenardebatte

Polish prime minister Mateusz Morawiecki in the European Parliament
© European Union 2021 - Source : EP / Frederic MARVAUX

In Anwesenheit des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki hat sich die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament heute für die Polinnen und Polen eingesetzt, die mit überwältigender Mehrheit Teil der EU-Familie bleiben wollen.

Die S&D Fraktion fordert Sanktionen und die Zurückhaltung von Wiederaufbaugeldern für Polen. Das ist notwendig, um zu versuchen, Polen in der EU-Rechtsordnung zu halten, und um die polnischen Demokraten zu unterstützen, die viel mehr Druck auf die PiS-Regierung fordern. Es wäre zudem eine klare Botschaft, um andere Länder davon abzuhalten, dem Weg der PiS zu folgen und die Vorrangstellung des EU-Rechts in Frage zu stellen.

Die Vorsitzende der S&D Fraktion, Iratxe García, sagte dazu im Plenum:

„Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts hat eine beispiellose Krise ausgelöst. Es tut mir leid für die Millionen Polinnen und Polen, die in der Europäischen Union sein wollen, sich als Mitglieder dieser Familie fühlen und jetzt nicht wissen, was mit ihrer Zukunft geschehen wird. Meine Fraktion will sicher keinen Polexit, aber wenn jemand droht, die Regeln nicht zu achten, stellt er sich an den Ausgang.

Die PiS-Regierung versteht nicht, was die Union ist. Die EU ist eine seriöse Organisation, die auf Rechtssicherheit basiert. Im Gegensatz zu Diktaturen oder absoluten Monarchien herrscht in der Europäischen Union das Recht. Es ist für alle gleich und es garantiert Frieden, gerade weil es gerecht und vorhersehbar ist und eingehalten wird.

Vor 70 Jahren haben die Gründer der EU verstanden, dass man in einer voneinander abhängigen Welt Souveränität in bestimmten Bereichen am besten ausüben kann, indem man sie teilt, weil wir Probleme gemeinsam besser lösen können.

Um diese Souveränität zu teilen, gibt es einige Grundprinzipien: Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz und Achtung der Pressefreiheit. Hier scheint mir das Problem zu liegen, nämlich dass Regierungen wie die polnische einen Weg des Rückschritts und des Autoritarismus eingeschlagen haben. Sie haben kein Problem mit dem Rechtssystem der Europäischen Union, sondern mit den Prinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, und das ist noch bedenklicher. Wählerstimmen geben keine Berechtigung, die Demokratie zu zerstören.

Die Kommission ist verpflichtet, mit aller Kraft und allen Mitteln zu handeln, um sicherzustellen, dass die Grundsätze der Union respektiert werden. Wenn akzeptiert wird, dass ein Land mogelt, geht das Vertrauen verloren und wir werden von Partnern zu Konkurrenten.

Polen ist viel mehr als PiS, Ungarn ist viel mehr als Orbán, und Slowenien ist viel mehr als Janša. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Länder, die unter der autoritären Tendenz ihrer Regierungen leiden, vertrauen der EU. Vor ein paar Tagen war ich in Warschau und habe die Zuneigung so vieler Menschen gespürt, die ihr Vertrauen in Europa gesetzt haben. Wir werden Sie nicht enttäuschen. Wir werden Ihre Stimme sein. Wir werden Sie nicht allein lassen.“

Hinweis für die Redaktion:

Im Anschluss an die Debatte wird das Europaparlament am Donnerstag die Entschließung zur Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen verabschieden. Die S&D Fraktion will, dass die Kommission dringend den neuen Konditionalitätsmechanismus aktiviert und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einleitet. Der Rat muss die Verfahren nach Artikel 7 auf die nächste Stufe heben, konkrete Empfehlungen aussprechen und Sanktionen verhängen, wenn diese Empfehlungen nicht befolgt werden.

Unter den gegenwärtigen Umständen sollten weder die Europäische Kommission noch der Rat dem polnischen Wiederaufbauprogramm zustimmen. Sie dürfen nicht auf die Versprechen der PiS-Regierung hereinfallen, die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs zu reformieren oder abzuschaffen. Das reicht nicht aus, um die Rechtsstaatlichkeit in Polen wiederherzustellen.

Das Verfassungstribunal und der Nationale Justizrat sollten in ihrer jetzigen Form nicht mehr bestehen. Polen muss alle Urteile des  Europäischen Gerichtshofs umsetzen und aufhören, unabhängige Richter und Richterinnen zu belästigen. Wenn es in Polen keine unabhängigen Gerichte gibt, gibt es keine Kontrolle über EU-Gelder.“

Beteiligte Abgeordnete
S&D-Pressekontakt(e)