Die Mitglieder im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments sandten heute eine Warnung an die europäischen Organe wegen der erheblichen Defizite beim Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten. In einem von der sozialdemokratischen Abgeordneten Evin Incir angefertigten Bericht fordern die Parlamentarier, dass Transparenz in der EU die Regel sein müsse und nicht die Ausnahme.

Der Bericht listet strukturelle Schwächen auf, etwa die Art und Weise, wie die Europäische Kommission die Bestimmungen über den Dokumentenzugang auf Textnachrichten anwendet. Angesichts der Weigerung der Kommission, der Öffentlichkeit Einblick in die Textnachrichten zwischen der Kommissionspräsidentin und dem CEO von Pfizer während des Kaufs von COVID-19-Impfstoffen zu gewähren, fordern die Abgeordneten von der Kommission, eine sofortige umfassende Suche nach den entsprechenden Textnachrichten vorzunehmen. Außerdem solle die Archivierung aller relevanten Sofortnachrichten zur gängigen Praxis werden, wie von der Europäischen Bürgerbeauftragten empfohlen.

Der Bericht kritisiert außerdem, dass der Rat bei Trilog-Verhandlungen nur ein Minimum an Informationen über die Mandate veröffentlicht und dass die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten nicht aufgezeichnet werden, wenn sich der Rat auf eine Position geeinigt hat.

Auch wenn das Europaparlament beim Dokumentenzugang am besten abschneidet*, unterstreicht der Bericht, dass im Kampf gegen Korruption mehr Transparenz nötig ist, insbesondere in Anbetracht der Anschuldigungen im Rahmen des Katargate-Skandals. Trotz aller Versuche, die Reformen im Europäischen Parlament zurückzufahren, ist die Sozialdemokratische Fraktion fest entschlossen, die ehrgeizigen Maßnahmen zur Stärkung von Integrität und Transparenz, die in den Entschließungen vom Dezember 2022 und Februar 2023 von einer überwältigenden Mehrheit unterstützt wurden, schnell und vollends umzusetzen. Im Januar 2023 hat die S&D-Fraktion einen 15-Punkte-Plan zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption und politischer Einflussnahme vorgelegt.

Der heutige Bericht wurde mit 51 Stimmen bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen.

Evin Incir, Hauptverhandlungsführerin des Parlaments für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, sagte:

„Der Bericht enthält ein paar bittere Wahrheiten für die europäischen Organe. Die Europäische Kommission und der Rat bleiben weit hinter dem zurück, was die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Offenheit und Transparenz von einer öffentlichen Einrichtung erwarten. Die Bürger, die Medien und das Europäische Parlament werden somit massiv daran gehindert, die Organe zur Rechenschaft zu ziehen. Der Bericht stellt fest, dass Transparenz die Regel sein muss und nicht die Ausnahme und dass alle Ausnahmen eng auszulegen sind. Davon sind wir heute meilenweit entfernt. Wir benötigen einen echten Kulturwandel, um dorthin zu kommen. 

Als direkt gewählte Repräsentanten sind wir auf das Vertrauen der Öffentlichkeit angewiesen, damit wir unsere Arbeit effektiv erledigen können. Wenn die Menschen das Vertrauen ins Europaparlament verlieren, verliert die EU als Ganzes an Glaubwürdigkeit. Wir sind daher fest entschlossen, die Integrität und Transparenz in den europäischen Organen zu stärken. Die im Parlament beobachteten Versuche, ambitionierte Reformen zurückzuschrauben, bereiten uns große Sorge. Der Bericht macht deutlich, dass wir unsere Versprechen einhalten müssen. Dazu zählen die Schaffung einer unabhängign EU-Ethikbehörde, ein verschärftes Transparenzregister, in dem alle Treffen mit externen Personen veröffentlicht werden, sofern sie spezifische Berichte betreffen, und mehr Schutz für Whistleblower.“

* Im Jahr 2021 gewährte das Europäische Parlament in 95 % aller Fälle den beantragten Dokumentenzugang; bei der Kommission waren es 81 % , beim Rat 84,1 %.

Beteiligte Abgeordnete
Mitglied
Schweden