Pittella: Die Demokratie in Polen steht am Scheideweg. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist

Eine breite Mehrheit des Europäischen Parlaments unterstützte heute eine Resolution über die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie in Polen. Das Parlament fordert darin die polnische Regierung auf, die Empfehlungen der EU-Kommission und der Venedig-Kommission des Europarats vollständig umzusetzen, um die anhaltende Verfassungskrise zu lösen. Geschieht das nicht, dann hätte das Parlament keine andere Wahl, als die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrags (Suspendierung der EU-Mitgliedschaft) gegen die polnische Regierung zu verlangen.

 

Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Gianni Pittella, sagte dazu:

„Die Europäische Union hat getan, was sie konnte, um den Dialog mit den polnischen Behörden offen zu halten. Wir können jedoch unsere gemeinsamen Werte der Demokratie und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit keinesfalls aufgeben. Europa kann nicht wie ein Menü ‚à la carte‘ behandelt werden. Europa ist eine Gemeinschaft von Werten, an die jedes Mitgliedsland gebunden ist. Polen und seine Geschichte sind ein anschauliches Beispiel dafür, warum Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit ständig verteidigt werden müssen. Die derzeitige polnische Regierung missachtet aber diese Grundprinzipien.

Herr Kaczyński, Premierminister Szydło, warum tun sie das? Sie haben keinen Wählerauftrag von der polnischen Bevölkerung, um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts in Frage zu stellen, das Justizwesen zu untergraben oder die Pressefreiheit anzugreifen. Ihre Handlungen machen aus Polen ein ausgegrenztes und isoliertes Land in Europa. Dafür haben die Leute, die sie gewählt haben, nicht gestimmt.

Sie legitimieren die gefährlichsten und antiliberalsten Instinkte – dieselben Instinkte, die Europa in die Katastrophe führen. Wir können und werden das nicht dulden. Wir müssen im Interesse des polnischen Volkes jetzt handeln.

Allen polnischen Bürgerinnen und Bürgern möchten wir sagen: Sie sind nicht allein, wir sind an ihrer Seite, und sie gehören zu dieser großen europäischen Familie.“

 

Der sozialdemokratische Vizefraktionsvorsitzende Josef Weidenholzer, Mitverfasser der Parlamentsresolution, fügte hinzu:

„Wir sind über die anhaltende Situation in Polen zutiefst beunruhigt. Besonders besorgniserregend sind die politische Vereinnahmung des Verfassungsgerichtshofs durch die Machthaber und die Versuche, die Justiz zu politisieren. Diese Entwicklungen gefährden die Demokratie, die Grundrechte und den Rechtsstaat in Polen. Wir unterstützen die Bemühungen der Kommission zur Lösung der Krise voll und ganz und fordern die polnische Regierung auf, in einen direkten Dialog mit der Kommission einzutreten. Heute prangern wir die Aktionen dieser Regierung und ihre Behauptung an, sie habe einen Wählerauftrag, um die Freiheiten, für die das polnische Volk so lange gekämpft hat, wegzunehmen. Die EU muss jetzt handeln, bevor es zu spät ist.“

 

Der Leiter der polnischen Delegation in der S&D Fraktion, Bogusław Liberadzki, sagte:

„Die Europäische Union gibt uns politische, soziale und wirtschaftliche Sicherheit. Wir sind zutiefst besorgt über die Übernahme der Justiz durch die Regierungspartei sowie über die Bestrebungen, die Rechte der Frauen einzuschränken. Wir akzeptieren die Anwendung der gemeinsamen Verantwortung durch die Regierung nicht, auch nicht gegenüber Soldaten und anderen Offizieren, wenn ihre Pensionen weggenommen werden. Die Spannungen zwischen der EU-Kommission und der polnischen Regierung nehmen rasch zu. Wir rufen zum Dialog auf und fordern die polnische Regierung auf, einen Schritt zurückzutreten. Das polnische Volk sollte nicht für diesen Streit zahlen müssen.“