Demokratiedefizit und mangelnde Rechtsstaatlichkeit haben den EU-Türkei-Verhandlungsprozess auf Eis gelegt

Das Europäische Parlament hat heute in Straßburg auf Initiative der Sozialdemokratischen Fraktion eine starke Entschließung zum türkischen EU-Beitrittsprozess angenommen und darin den Rat und die EU-Kommission aufgefordert, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorübergehend auf Eis zu legen. Dieser Zustand soll beibehalten werden, solange die türkischen Behörden die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit missachten und aushöhlen.  

Das Europäische Parlament warnt die türkische Regierung außerdem, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe zwingend zu einer formellen Aussetzung des Beitrittsprozesses führen würde.  

Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella, erklärte:  

„Die unverhältnismäßigen Repressionsmaßnahmen, die Erdoğan ergriffen hat, haben uns gezwungen, die Kommission und den Rat aufzufordern, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorübergehend auszusetzen. Angesichts Erdoğans Entrüstung und der eindeutigen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in der Türkei können wir nicht länger schweigen.  

Seit dem gescheiterten Militärputsch übt Präsident Erdoğan unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Repression gegen türkische Bürgerinnen und Bürger aus und macht aus der türkischen Demokratie ein de facto autoritäres System. 

 

Diese Resolution ist eine klare politische Botschaft an Erdoğan, die nicht fehlinterpretiert werden sollte: Wir wollen, dass die Türkei in Europa, in der Demokratie und in der Rechtsstaatlichkeit verankert wird. Wir nehmen unsere Werte ernst und können daher nicht weitermachen, als wäre in der Türkei nichts passiert. Wir hoffen, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte so bald wie möglich wiederhergestellt werden. Bis dahin werden wir unseren Dialog fortsetzen, aber die Beitrittsverhandlungen auf Eis legen.“  

Die sozialdemokratische Türkei-Berichterstatterin des Europaparlaments, Kati Piri, sagte:  

„Leider lässt uns diese Situation keine andere Wahl, als die vorübergehende Aussetzung der Verhandlungen zu verlangen. Das bedeutet nicht, dass wir unseren Dialog beenden sollten, aber wir sind an einem Punkt angekommen, wo sinnvolle Verhandlungen über eine EU-Integration nicht glaubwürdig sind.  

Wir lassen die türkischen Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich. Sie glauben an die gleichen Werte wie wir, und folglich bleibt unsere Tür offen. Wir reagieren lediglich auf die Geschehnisse in einem Land, das einen Beitritt zur EU anstrebt. Das Gleiche erwarten wir im Dezember von den EU-Staats- und Regierungschefs.“  

Der für Außenpolitik und Erweiterung zuständige Vizevorsitzende der S&D Fraktion, Knut Fleckenstein, fügte hinzu:  

„Die Türkei ist und bleibt als NATO-Mitglied und als Kandidat auf eine EU-Mitgliedschaft einer unserer wichtigsten Partner. Aber die Chancen des Landes, im Beitrittsprozess voranzukommen, bedingen die vollständige Einhaltung aller Kopenhagen-Kriterien durch die türkischen Behörden.  

Wir unterstreichen einmal mehr, dass die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gewahrt und die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention respektiert werden müssen.“  

Hier finden Sie eine Videobotschaft in Sendequalität von der sozialdemokratischen Türkei-Berichterstatterin des Europaparlaments, Kati Piri.