Das französische Online-Medium Contexte hat heute enthüllt, dass die französische Arbeitgebervereinigung Medef – ein Mitglied des europäischen Arbeitgeber- und Lobbyismusverbands  Business Europe – für das französische Wirtschaftsministerium ein sogenanntes Non-Paper zum Gesetz über Finanztransparenz teilweise verfasst hat. Dieses Gesetz soll eine öffentliche Kontrolle der Körperschaftssteuer ermöglichen und die Unternehmensverantwortung fördern. Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament ist besorgt über den Einfluss der Wirtschaft auf dieses wichtige Dossier und fordert die französische Regierung auf, ihre Position zu klären.

Die sogenannte öffentliche länderbezogene Berichterstattung würde große multinationale Unternehmen dazu verpflichten, offenzulegen, wo sie ihre Gewinne erzielen und wo sie ihre Steuern zahlen. Sollten die im französischen Papier vorgeschlagenen roten Linien angenommen werden, würden sie das Ziel der Richtlinie, eine sinnvolle steuerliche Transparenz und unternehmerische Verantwortung zu gewährleisten, erheblich verwässern. Diese Enthüllung erfolgt just vor einer wichtigen Verhandlungsrunde zwischen den EU-Regierungen, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament heute Nachmittag.

Evelyn Regner und Ibán García del Blanco, die sozialdemokratischen Verhandlungsführer des Parlaments für die öffentliche länderbezogene Berichterstattung, sagten dazu:

„Es hat uns schockiert, zu erfahren, dass eine Wirtschaftsorganisation die Verhandlungsposition zu EU-Gesetzen für das französische Wirtschaftsministerium bestimmt. Schlimmer noch: Wenn sie angenommen würden, würden diese Vorschläge das EU-Gesetz zur finanziellen Transparenz ernsthaft gefährden. Wir könnten am Ende eine stumpfe Waffe im Kampf gegen Steuervermeidung und ein schwaches Investitionsinstrument haben. Der Sinn dieses Gesetzes besteht darin, große multinationale Unternehmen zu zwingen, offenzulegen, wo sie ihre Gewinne erzielen und wo sie ihre Steuern zahlen, um eine angemessene öffentliche Kontrolle zu ermöglichen.

Um eine aussagekräftige finanzielle Transparenz zu gewährleisten, müssen wir die Zahl der Vollzeitbeschäftigten, den Umsatz mit verbundenen und nicht verbundenen Parteien, alle Gewinne und Verluste sowie die staatlichen Subventionen, die die multinationalen Unternehmen in jedem Land erhalten, in dem sie tätig sind, kennen – in und außerhalb der EU. Die Veröffentlichung der Informationen für Geschäftstätigkeiten in Drittländern in aggregierter Form und mit einer sechsjährigen Verzögerung verfehlt den Zweck. Unter dem Vorwand, große multinationale Unternehmen vor Wettbewerb zu schützen, hilft es ihnen bei der aggressiven Steuerplanung.

Wir fordern die französische Regierung auf, ihre Position klarzustellen, um zu beweisen, dass sie sich wirklich dafür einsetzt, ihren Bürgerinnen und Bürgern ein sinnvolles Transparenzinstrument zur Verfügung zu stellen.“

Aurore Lalucq, Sprecherin der S&D Fraktion für Steuerangelegenheiten, fügte hinzu:

„Anstatt den Forderungen der Bürger und Bürgerinnen nach mehr finanzieller Transparenz nachzukommen, bedient die französische Regierung die Sonderinteressen von Unternehmensverbänden. Und als ob dies nicht schlimm genug wäre, kommt dieser Schritt, der dazu dienen soll, die steuerlichen Abmachungen der großen Unternehmen im Dunkeln zu halten, just zu einer Zeit, da die erste weltweite Digitalsteuer und der erste globale effektive Mindeststeuersatz innerhalb der OECD in Vorbereitung sind. US-Präsident Biden geht mit seinem 21%-Vorschlag und den nationalen Steuerreformplänen mit gutem Beispiel voran.

Ich fordere die französische Regierung auf, eine Führungsrolle in Bezug auf Finanz- und Unternehmenstransparenz zu übernehmen. Es ist höchste Zeit, das undurchsichtige System von Briefkastenfirmen, aggressiver Steuerplanung und zwielichtigen Anwaltskanzleien zu durchleuchten. Jetzt, da die Regierungen Unternehmen wieder mit öffentlichen Geldern helfen, die Pandemie zu bewältigen, haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mehr denn je das Recht zu wissen, welche großen multinationalen Unternehmen fair spielen und welche ihre Gewinne in Steueroasen verlagern. Die Straflosigkeit für Steuervermeider muss endlich ein Ende haben.“

Hinweis für die Redaktion:

Nachdem mehrere EU-Mitgliedsstaaten fünf Jahre lang Fortschritte blockiert hatten, gab es erneut Anzeichen für Bewegung in der Frage der öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung, als die portugiesische EU-Präsidentschaft das Dossier im Februar vorlegte. In einer wichtigen Verhandlungsrunde zwischen den EU-Gesetzgebern heute Nachmittag muss eine Einigung über die größten Probleme einer möglichen sechsjährigen Verzögerung für die Veröffentlichung von Informationen – wie die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten, das Anlagevermögen und das Kapital, der Nettoumsatz, alle Gewinne und Verluste sowie Subventionen, die multinationale Unternehmen von der Regierung in jedem Land der Geschäftstätigkeit in der EU und in Drittländern erhalten – erzielt werden.

Beteiligte Abgeordnete
Koordinator
Spanien
Koordinatorin
Frankreich
Mitglied
Österreich
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