In der Plenardebatte am Nachmittag mit Kommissar Paolo Gentiloni über die Pläne der EU-Kommission für Rahmenvorschriften für die Unternehmensbesteuerung, die heute vorgestellt werden sollen, wird die Sozialdemokratische Fraktion die Kommission auffordern, einem gemeinsamen EU-Regelwerk für die Unternehmenssteuer Vorrang einzuräumen. Seit Jahren ist die S&D Fraktion auch Vorreiter im Europäischen Parlament für einen effektiven Mindeststeuersatz zur Bekämpfung des Steuerwettbewerbs und der aggressiven Steuerplanung. Erst letzte Woche legte die S&D Abgeordnete Aurore Lalucq ihren Bericht über die Reform der EU-Politik im Hinblick auf schädliche Steuerpraktiken vor, in dem eine gerechte Besteuerung multinationaler Unternehmen und Aktualisierungen der Steuervorschriften für die digitale Wirtschaft im Einklang mit den zahlreichen Vorschlägen gefordert werden, die heute von der Kommission angekündigt werden sollen.

Aurore Lalucq, S&D Fraktionssprecherin für Steuerfragen und Verfasserin eines parlamentarischen Berichts über Unternehmensbesteuerung, sagte dazu:

„Unser kaputtes Steuersystem gefährdet die soziale Gerechtigkeit, unsere Erholung und vor allem unsere Demokratien. Die EU verliert jedes Jahr 160 bis 190 Milliarden Euro aufgrund der Steuervermeidung von Unternehmen, und dieses Loch müssen wir dringend schließen. Nach der Covid-19-Pandemie benötigen die Europäerinnen und Europäer ausreichende Ressourcen, um einen raschen Wiederaufbau zu finanzieren.

Wir müssen dieser „beggar-thy-neighbour“-Haltung der EU-Länder, mit der man sich auf Kosten des Nachbarn Vorteile zu verschaffen versucht, ein Ende setzen, denn sie ist ein Schlag gegen die Solidarität zwischen unseren Ländern und innerhalb unserer Gesellschaften. Anstatt es den Ländern zu ermöglichen, aggressiv miteinander zu konkurrieren, und multinationale Unternehmen dazu zu verleiten, nach dem niedrigsten Steuersatz zu suchen, müssen wir gemeinsam sicherstellen, dass für alle Unternehmen – große wie kleine – ein effektiver Mindeststeuersatz gilt und Gewinne dort besteuert werden, wo sie anfallen.

Unsere bevorzugten Waffen für die Steuergerechtigkeit sind: Erstens ein effektiver Mindeststeuersatz, um dem Steuerwettbewerb eine Untergrenze zu setzen. Zweitens ein Tax-Back-Recht, das es Ländern ermöglicht, Steuern zu erheben, wenn andere Länder dies nicht tun, was die Steueroasen effektiv austrocknen würde. Drittens muss sichergestellt werden, dass digitale Riesen Steuern zahlen, die auf den Gewinnen basieren, die sie in den einzelnen Ländern erzielt haben, unabhängig von ihrer physischen Präsenz.

Wir fordern die Kommission und die EU-Regierungen auf, in der letzten Phase der Steuerreformverhandlungen innerhalb der OECD ihr ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen, um diese Steuergerechtigkeitsziele durchzusetzen und sie auf EU-Ebene durch ein gemeinsames EU-Regelwerk für Unternehmenssteuern umzusetzen. Es ist Zeit, den Hoffnungen der Bürger und Bürgerinnen auf Steuergerechtigkeit gerecht zu werden.“

Jonás Fernández, S&D Fraktionssprecher für für Wirtschafts- und Währungsfragen, sagte:

„Das Steuersystem steht an einem Scheideweg: Die Entscheidungen, die wir jetzt in Sachen Besteuerung treffen, werden unsere Gesellschaft für die kommenden Jahre prägen. Um schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuerplanung zu bekämpfen, brauchen wir ein gemeinsames EU-Regelwerk zur Körperschaftssteuer, das eine gerechte Verteilung der Steuern zwischen Unternehmen und Ländern gewährleistet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Regeln zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage die Höhe des Umsatzes, die Anzahl der Beschäftigten und die Größe des Sachanlagevermögens berücksichtigen. Die jüngsten Fortschritte im Steuerbereich auf globaler Ebene sowie die neuen Vorschläge der US-Regierung sind neue Anreize für die EU, um die seit einem Jahrzehnt erwartete Festsetzung einer gemeinsamen Steuerbemessungsgrundlage durchzuführen.

Transparenz ist entscheidend für Steuergerechtigkeit. Die Sozialdemokratische Fraktion begrüßt die Absicht der Kommission, große Unternehmen zur Offenlegung der tatsächlich gezahlten Körperschaftssteuer im Verhältnis zu ihren Gewinnen zu verpflichten. Wir sind der Ansicht, dass dies die Gewinnverlagerung erheblich weniger interessant machen, ein Licht auf die ungleiche steuerliche Belastung von Klein- und Mittelbetrieben und großen Unternehmen werfen und große multinationale Unternehmen unter Druck setzen wird, endlich ihre Steuerverantwortung gegenüber den Gesellschaften zu akzeptieren, in denen sie tätig sind.

Die Besteuerung spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des grünen und digitalen Wandels, ohne jemanden zurückzulassen. Um unser Steuersystem fit für die Zukunft zu machen, müssen wir von der Besteuerung der Arbeit, auf die derzeit 50% der Steuereinnahmen entfallen, zur Besteuerung von Eigentum übergehen, die derzeit nur 5% ausmacht. Ein Ungleichgewicht, das korrigiert werden muss, da die Senkung der Steuern auf Arbeit das größte Wachstumspotenzial und das größte Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen birgt, während die Unterbesteuerung der Kapitalbildung und des Vermögensaufbaus bereits tief verwurzelte Ungleichheiten nur weiter verschärft. Darüber hinaus wird die Anwendung des Verursacherprinzips durch gut konzipierte Umweltsteuern den grünen Übergang unterstützen und die dringend benötigte steuerliche Entlastung der Arbeit ausgleichen.“

Hinweis für die Redaktion:

Die Verhandlungen im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Thema „Inklusiver Rahmen zu Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“ wurden in zwei Teile unterteilt, die sogenannte Säule 1 und die Säule 2. Die Säule 1 zielt auf die Neuzuweisung und Neubestimmung von Besteuerungsrechten ab, während die Säule 2 auf die Festlegung eines globalen effektiven Mindeststeuersatzes abzielt. Die Verhandlungen dauern seit fast einem Jahrzehnt an. Der Vorschlag von US-Präsident Biden und seine Zusage, sich wieder aktiv in die  Verhandlungen einzubringen, haben neue Impulse gebracht.

Schädliche Steuerpraktiken beziehen sich auf Maßnahmen, die von Staaten ergriffen wurden, um mit anderen Staaten mittels Steuervergünstigungen oder Steueranreizen, die von der heimischen Wirtschaft isoliert sind, zu konkurrieren, oder auf Steuervorteile, die selbst dann gewährt werden, wenn in ihrem Hoheitsgebiet keine echte wirtschaftliche Aktivität vorliegt.

Aggressive Steuerplanung bedeutet die gezielte Ausnutzung von Schlupflöchern und Unterschieden innerhalb und zwischen nationalen Steuersystemen, um den Steuerbeitrag von Unternehmen – insbesondere von multinationalen Unternehmen – zu nationalen Steuersystemen künstlich zu verringern.

Erfahren Sie mehr über den Kampf der S&D Fraktion für Steuergerechtigkeit

Beteiligte Abgeordnete
Koordinator
Spanien
Koordinatorin
Frankreich
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