Der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments hat heute durch die Annahme des gemeinsamen Berichts von Agnes Jongerius (S&D Fraktion) und Dennis Radtke (EVP-Fraktion) einen großen Schritt in Richtung einer EU-Richtlinie für Mindestlöhne gemacht, die die verschiedenen Sozialmodelle in Europa stärkt und sichert. Die Sozialdemokratische Fraktion führt seit Jahren die Kampagne für eine europäische Richtlinie für angemessene und faire Mindestlöhne an. EU-Kommissar Nicolas Schmit hat diesen lang erwarteten Vorschlag im Oktober 2020 vorgelegt.

Die S&D Fraktionssprecherin für Beschäftigungspolitik und Verhandlungsführerin des Europäischen Parlaments für Mindestlöhne, Agnes Jongerius, sagte dazu:

„Derzeit verdient jeder und jede sechste Angestellte in Europa nicht genug, um über die Runden zu kommen. Obwohl sie eine harte 40-Stunden-Woche arbeiten, können Beschäftigte ihre Miete, ihr Essen und ihre Kleidung nicht bezahlen. Das muss sich ändern. Alle europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen unseren Respekt und eine gerechte Entlohnung.

Ich bin stolz, dass wir den Vorschlag der Kommission erheblich verbessern konnten. Erstens haben wir darauf bestanden, dass Mindestlöhne angemessen und gerecht sein und einen menschenwürdigen Lebensstandard garantieren müssen. Gesetzliche Mindestlöhne müssen eine Schwelle des Anstands sein. Die Mitgliedsstaaten sollten die Zulänglichkeit der gesetzlichen Mindestlöhne überprüfen und darüber Bericht erstatten. Dafür können die internationalen Referenzwerte von 60% des mittleren Bruttolohns und 50% des durchschnittlichen Bruttolohns eines Landes als Richtschnur dienen.

Zweitens wollen wir durch öffentliche Ausschreibungen sicherstellen, dass öffentliche Gelder nur an Unternehmen fließen, die Mindestlöhne und Tarifverträge einhalten. Die Mitgliedsstaaten müssen daher darüber nachdenken und berichten, welche Auswirkungen ihre Ausgaben auf die Reichweite von Kollektivverhandlungen haben.

Drittens weiß ich aus meiner Erfahrung in der Gewerkschaftsbewegung, dass die Stärkung von Tarifverhandlungen der beste Weg ist, um Erwerbsarmut zu bekämpfen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Daher müssen die Mitgliedsstaaten unter voller Einbeziehung der Sozialpartner einen nationalen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen und einem klaren Zeitplan vorlegen, wenn sie einen Erfassungsgrad von Tarifverträgen von 80% nicht erreichen. Eines wird in diesem Bericht klargestellt: Tarifverhandlungen werden von Gewerkschaften geführt und von niemandem sonst. Der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Benachteiligung und die Bekämpfung von Gewerkschaftsfeindlichkeit sind von größter Bedeutung, um unsere Sozialmodelle zu wahren, und müssen für alle EU-Regierungen eine Verpflichtung sein.“

Der für das soziale Europa zuständige Vizevorsitzende der S&D Fraktion, Pedro Marques, sagte:

„Wir haben in Europa das Glück, eine reiche und vielfältige Tradition von Wohlfahrtsstaaten zu haben. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen uns unsere Werte und unser politischer Kampf, um das Leben der Menschen zu verbessern. Die Gewährleistung eines gerechten und angemessenen Mindestlohnschutzes für alle Europäerinnen und Europäer ist seit langem ein Ziel unserer politischen Familie und eine der wichtigsten Prioritäten unserer Fraktion.

Wir beglückwünschen Kommissar Nicolas Schmit zur Vorlage dieses Vorschlags, und ich gratuliere meiner Kollegin Agnes Jongerius zur Annahme ihres Berichts. Diese Mindestlohnrichtlinie ist keine Patentlösung. Im Gegenteil, sie berücksichtigt unterschiedliche Traditionen und Ausgangspunkte und stärkt Gewerkschaften und Tarifverhandlungen. Jetzt ist es Zeit, unser Versprechen einzulösen, das Leben der Menschen wieder besser zu machen. Arbeit muss sich endlich wieder lohnen.“

Hinweis für die Redaktion:

Diese Richtlinie wird einen Rahmen für faire Mindestlöhne in Europa schaffen, aber weder einen gemeinsamen europäischen Mindestlohn festlegen noch Mitgliedsstaaten, die keine gesetzlichen Mindestlöhne haben, dazu zwingen, diese einzuführen. In Artikel 1 des Berichts heißt es eindeutig: „(2) Diese Richtlinie berührt nicht die Entscheidung der Mitgliedsstaaten, gesetzliche Mindestlöhne festzulegen oder den Zugang zum tarifvertraglich garantierten Mindestlohnschutz zu fördern oder beides. (3) Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, in denen der Mindestlohnschutz ausschließlich tarifvertraglich geregelt ist, weder zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns noch zur flächendeckenden Einführung von Tarifverträgen.“

Die Kommission hat am 28. Oktober 2020 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union vorgelegt. Der Jongerius/Radtke-Bericht ist heute, am 11. November 2021, angenommen worden. Dieser Bericht wird den Standpunkt des Parlaments für die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten über die Richtlinie darstellen.

Beteiligte Abgeordnete
Vizevorsitzender
Portugal
Delegationsleiterin
Koordinatorin
Niederlande
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