Nach der heutigen Erklärung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Lage der Union im Europäischen Parlament in Straßburg sagte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella:

„Die EU-Kommission hat Europa endlich vom beschämenden Egoismus gewisser nationaler Regierungen befreit. Im Einklang mit unseren Vorschlägen hat die Kommission mutige Maßnahmen zur Migration vorgelegt, und jetzt liegt es am Rat und an den Mitgliedsstaaten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. In Italien, Griechenland, Ungarn, Deutschland oder Österreich haben die europäischen Bürgerinnen und Bürger ihre Solidarität gezeigt, und die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen sich ein Beispiel daran nehmen. Nur Narren glauben, dass höhere Zäune oder schärfere Drähte diese Krise lösen werden. Die Sozialdemokratische Fraktion hat lange auf eine europäische Antwort gedrängt, und wir sind hocherfreut über die Vorschläge, die die Kommission heute unterbreitet hat.

Auch wir glauben an die Notwendigkeit eines Notfallmechanismus mit einem verbindlichen Verteilungsschlüssel zwischen den Mitgliedsstaaten für eine angemessene Zahl von Migranten. Dies muss durch die Schaffung von Hotspots und durch finanzielle Sanktionen für jene Länder flankiert werden, die nicht in der Lage sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Sozialdemokratische Fraktion ist auch zufrieden mit der Tatsache, dass ein neues, dauerhaftes System die anachronistische Dublin-Verordnung de facto ersetzen wird. Längerfristig unterstützen wir auch die Schaffung eines Rechtsrahmens für Wirtschaftsmigranten. Letzten Endes braucht die europäische Wirtschaft Einwanderer.

Wir fordern den Europäischen Rat auf, diese Vorschläge anzunehmen, um die beschämenden Seiten zu vergessen, die im Juni und Juli geschrieben wurden. Wir hätten Tausende Leben mehr retten können, wenn einige europäische Regierungschefs nicht vor Wochen, sondern schon vor Jahren aufgewacht wären, als die Migranten anfingen, an ihre Tür zu klopfen. Wir wollen uns als Menschen und als europäische Bürgerinnen und Bürger nicht mehr schämen müssen. Auf lange Sicht begrüßen wir auch ein stärkeres, langfristiges Engagement zur Zusammenarbeit in Afrika. Wir müssen die gute Arbeit der Hohen Vertreterin und Vizepräsidentin Federica Mogherini bei der Suche nach einer politischen Lösung der Krisen in Libyen und in Syrien fortsetzen.

Was die Lage der Union angeht, wird unsere Fraktion diese Kommission auf der Grundlage ihrer Taten und nicht ihrer Worte beurteilen. Wir fordern eine Bestnote für das Paket zur Arbeitskräftemobilität, das Sozialdumping entschieden bekämpft und Menschen in prekärer Beschäftigung Schutz bietet. Zudem fordern wir eine Gesamtüberprüfung der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern und eine klare Antwort auf die Anliegen der europäischen Landwirte.

Wir fordern die Kommission auf, in der Frage der Steuergerechtigkeit von Worten zu Taten überzugehen. Es ist Zeit, dass alle Unternehmen ihre Steuern dort zahlen, wo sie ihre Gewinne machen. Um dies zu gewährleisten, unterstützen wir die Annahme einer öffentlichen, nach Ländern untergliederten Rechnungslegung, die einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung darstellen würde.

Die Griechenland-Krise hat gezeigt, dass unsere gegenwärtige Währungsunion nicht mehr ausreicht. Sie muss gestärkt werden. Wir fordern die Kommission auf, die Schlussfolgerungen des Berichts der Fünf Präsidenten umzusetzen, aber auch auf die Idee der Eurobonds zurückzukommen, um den Mühlstein der öffentlichen Verschuldung anzugehen.

Zu guter Letzt der Klimawandel. Wir erwarten, dass Europa bei dieser globalen Herausforderung die Vorreiterrolle einnimmt: Unsere Wirtschaft muss auf der Grundlage dieses neuen Ansatzes neu durchdacht werden, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu werden.

Es liegt an uns, zu entscheiden, ob Europa lediglich seinen Niedergang in der Welt verwaltet oder sich zum Wohle aller zukünftigen Europäerinnen und Europäer wandelt.“