Pittella: Die EU hat ihre Zukunftsvision verloren. Der Egoismus der nationalen Regierungen in der Migrationsfrage heizt den Populismus an

Nach der Diskussion über die Migrationspolitik im Plenum des Europäischen Parlaments in Brüssel erklärte Gianni Pittella, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Fraktion:

„Europa hat seine Zukunftsvision verloren. Beim Umgang mit der Migration halten wir fest, dass einige Mitgliedsstaaten ihre Bereitschaft bekräftigt haben, alles Notwendige zu tun, um im Mittelmeer Leben zu retten. Andere hingegen, insbesondere Ungarn, haben damit gedroht, neue Mauern zu errichten und die Rechte von Asylsuchenden außer Kraft zu setzen. Nationaler Egoismus geht immer noch vor Solidarität. Und dieser nationale Egoismus droht sich auch in den Schlussfolgerungen des nächsten Rats durchzusetzen.

Der Vorschlag der Kommission ist vernünftig. Doch selbst dieser Vorschlag, der weit weniger ehrgeizig ist als das, wofür Präsident Juncker, Vizepräsident Timmermans und die Hohe Vertreterin Federica Mogherini sich eingesetzt hatten, ist bei einigen Regierungen auf Widerstand gestoßen. Die ganze Diskussion scheint sich auf eine niveaulose rhetorische Übung über die konkreten Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, zu beschränken.

Wir verurteilen Orbàn aufs Schärfste, aber seine törichten Entscheidungen sind die ‚vergifteten Früchte‘ des Mangels an Vision und Solidarität, den einige europäische Regierungen an den Tag legen. Fehlende Beschlüsse und Maßnahmen seitens der EU heizen die Populisten an.

Wir sind entsetzt über die Vorstellung eines Europas, wo neue Mauern errichtet werden, wo Menschen an der Grenze zwischen Italien und Frankreich wie Vieh hin- und hergeschoben werden und wo Politiker stillschweigend zusehen, während verzweifelte Migranten sich auf die Lastwagen drängeln, die von Calais nach Großbritannien unterwegs sind.

Europa muss seine Glaubwürdigkeit und seine Zukunftsvision wiedererlangen. Ändern wir die Dublin-Verordnung! Schaffen wir eine wirklich allumfassende gemeinsame Einwanderungspolitik für Europa auf der Grundlage einer verbindlichen Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und gemeinsamer Regeln in Bezug auf die Flüchtlings-, Asyl-, Kontroll- und Rückführungspolitiken! Lasst uns ein echtes Europa sein und auch so handeln!“