Pittella: Das autoritäre Abdriften der Türkei unter Erdogan verschließt die Tür zur EU. CHP und HDP müssen gemeinsam für Demokratie eintreten

Bei einem zweitägigen Besuch in Ankara wohnte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Gianni Pittella, dem Gerichtsprozess des Vorsitzenden der Oppositionspartei HDP bei, traf sich mit anderen Führungspersönlichkeiten der Partei und sprach mit dem Oppositionsführer und Vorsitzenden der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu.


Nach den Treffen sagte S&D Fraktionschef Gianni Pittella:

„Gedanken und politische Ideen können nicht eingesperrt werden. Ich wollte dem politisch motivierten Verfahren gegen Selahattin Demirtas, dem Vorsitzenden der HDP, beiwohnen, um meine persönliche Solidarität und die Unterstützung der Sozialdemokratischen Fraktion kundzutun. Mehr als 100 Verfahren haben die türkischen Behörden gegen den kurdischen Parteivorsitzenden eingeleitet. Das ist inakzeptabel.

Diese Unterdrückung der politischen Opposition erfolgt parallel zur Massenverhaftung von Journalisten, Richtern, Akademikern und Soldaten, ohne Anklage und ohne irgendeine Berufungsmöglichkeit. Wir fordern Präsident Erdogan auf, Demirtas und alle politischen Häftlinge sofort freizulassen.

Historisch gesehen sind wir Sozialdemokraten die stärksten Unterstützer einer europäischen Zukunft der Türkei, und vielleicht auch die letzten verbliebenen. Wir unterstützen diese Zukunft nach wie vor. Präsident Erdogan macht dies jedoch unmöglich, indem er die Türkei in ein zunehmend autoritäres Land verwandelt. Wir sind deutlich: Erdogan verschließt die Tür zu Europa. Für uns stehen Demokratie und Menschenrechte an erster Stelle. Wir werden uns jedem Versuch eines Geschachers zwischen den Themen Migration, Zollunion und Visabefreiung widersetzen.

Angesichts der aktuellen Lage der Demokratie und des jüngsten Verfassungsreferendums sind wir gezwungen, die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen zu verlangen. Die Art und Weise, wie die Verfassungsänderungen durchgeführt werden, wird entscheidend sein für die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei.

Paradoxerweise – und zwar genau wegen der derzeitigen dramatischen Situation in der Türkei – haben die CHP, die HDP und alle demokratischen Oppositionskräfte die politische und moralische Pflicht, ihre Differenzen zurückzustellen und gemeinsam für die Demokratie einzutreten. Jetzt ist die Zeit, allen Bürgerinnen und Bürgern, die beim Referendum mit Nein gestimmt haben, eine einheitliche Stimme zu geben. Wir Sozialdemokraten sind bereit, diesen wichtigen Prozess zu unterstützen und zu erleichtern. Die Zukunft der Türkei und ihrer Beziehung zur Europäischen Union steht auf dem Spiel.“