Die Europäische Kommission will heute die lang ersehnte EU-Strategie für Kleinanleger vorstellen. Wie erwartet, wird der Vorschlag kein Komplettverbot von Provisionen für Finanzberater vorsehen, die auch als Anreizzahlungen bekannt sind.* Für die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament ist dies eine Enttäuschung. Die Fraktion wird weiter auf ein uneingeschränktes Verbot von Provisionszahlungen pochen, um den Schutz von Kleinanlegern zu gewährleisten, wenn sie sich finanziell beraten lassen, um ihre Ersparnisse zu sichern, ihr Geld mit Blick auf ihre Rente zu vermehren oder eine eiserne Reserve anzulegen.

Außerdem bedauert die S&D-Fraktion, dass der Vorschlag aufgrund des von einigen EU-Mitgliedstaaten und von Akteuren innerhalb der Branche ausgeübten Drucks zu spät kommt. Eine Einigung vor Ablauf des Mandats der Kommission ist unwahrscheinlich, obwohl Mairead McGuinness – als designiertes Kommissionsmitglied während ihrer Anhörung im Europäischen Parlament – versprach, die Bürgerinnen und Bürger bei all ihrem Tun in den Mittelpunkt zu stellen.

Eero Heinäluoma, Verhandlungsführer der S&D-Fraktion zu den EU-Rechtsvorschriften für die Märkte für Finanzinstrumente, sagte:

„Dies ist nicht nur enttäuschend, sondern auch eine vertane Chance, da versäumt wurde, sicherzustellen, dass die Finanzmärkte für die Menschen arbeiten. Der Vorschlag weckt auch Unverständnis, da die Kommission selbst zugibt, dass die voreingenommene Finanzberatung in der EU ein ernsthaftes Problem darstellt. Tatsächlich zeigen ihre eigenen Bewertungen klar und deutlich, dass ein EU-weites Provisionsverbot die wirkungsvollste Maßnahme wäre, potenzielle Interessenkonflikte zu beenden und Kleinanleger zu schützen.

Provisionszahlungen verzerren die Finanzberatung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, da Berater Produkte empfehlen, die mit höheren Kosten einhergehen, wenn sie dadurch höhere Provisionen erzielen können. Dieses einseitige System muss verboten und durch ein transparentes Beratungsmodell ersetzt werden, bei dem die Beratungsgebühren im Voraus zu entrichten sind. Kleinanleger sollten für ihre eigene Rente sparen können, anstatt das Ruhegehalt ihrer Finanzberater aufzubessern.“

Jonás Fernández, wirtschafts- und währungspolitischer Sprecher der S&D-Fraktion, fügte hinzu: 

„Obwohl wir enttäuscht sind, dass der Vorschlag kein uneingeschränktes Provisionsverbot vorsieht, begrüßen wir die kleinen Fortschritte, die gemacht wurden, etwa die Einführung eines solchen Verbots bei reinen Ausführungsgeschäften, das heißt falls kein Beratungsverhältnis zwischen der Investmentfirma und dem Verbraucher vorliegt.

In ihrer Strategie für Kleinanleger schlägt die Europäische Kommission zudem einen neuen Preis-Leistungs-Rahmen für Anlageprodukte vor. Auch wenn dies ein Provisionsverbot nicht ersetzen kann, könnten eindeutigere Vorschriften rund um das Preis-Leistungs-Verhältnis dafür sorgen, dass Kleinanleger bei ihren Anlageentscheidungen fairere Angebote erhalten, was vor dem aktuellen Inflationshintergrund wichtiger ist denn je.“

* Hinweis für die Redaktion:

Zurzeit ist die provisionsgebundene Finanzberatung in den meisten europäischen Ländern die üblichste Form des Verkaufs von Anlageprodukten an Privatkunden. Fondsmanager und Versicherer zahlen Finanzberatern Provisionen, wenn sie ihre Produkte empfehlen, was häufig dazu führt, dass keine unvoreingenommene Beratung stattfindet.

Verschiedene Studien zeigen, dass Finanzberater ihren Kunden häufig Anlageprodukte empfehlen, die mit höheren Kosten verbunden sind, wenn sie dadurch ihre Provision erhöhen können. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 wurde beispielsweise festgestellt, dass Finanzprodukte, die aufgrund von Provisionen verkauft wurden, im Schnitt 25 % teurer waren als die ohne solche Anreize. 

In Ländern, in denen Provisionen verboten wurden, wie im Vereinigten Königreich oder in den Niederlanden, ist das Vertrauen in Finanzberater gestiegen. Zudem haben die Verbraucherinnen und Verbraucher dort nun Zugang zu vielfältigeren, kostengünstigen Anlageprodukten, die Kleinanlegern ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.

Die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie über den Vertrieb von Produkten für Privatanleger von 2018 zeigt, dass Kleinanleger in den Niederlanden und in Großbritannien Zugang zu Investmentfonds mit den geringsten Kosten in der Europäischen Union hatten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie BEUC und BETTER FINANCE befürworten schon seit Langem die Einführung eines EU-weiten Provisionsverbots, um die Anlageberatung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern.

Beteiligte Abgeordnete
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