Mit dem Aufkommen neuer Technologien und der sozialen Medien erleben immer mehr Frauen und Mädchen Belästigungen, Stalking und andere Arten von Bedrohungen, während sie online sind. Schätzungen zufolge ist eine von zehn Frauen in der EU ab dem 15. Lebensjahr Opfer von sexueller Belästigung durch digitale Werkzeuge.

Cyber-Belästigung kann Trolling, Cyber-Mobbing, Flaming, Hassreden und andere text- und nachrichtenbasierte Formen geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt umfassen. Besonders gefährlich ist ein zunehmendes Phänomen des Cyber-Mobbings und Trollings gegenüber Jugendlichen und Kindern, wobei mindestens 12,5% der schulischen Mobbingfälle online stattfinden. Das betrifft sowohl Jungen als auch Mädchen, aber junge Frauen und Mädchen sind unter den Opfern deutlich in der Mehrzahl, was schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit hat.

Dennoch wird das zunehmende Phänomen der geschlechtsspezifischen Cyber-Gewalt nicht angemessen angegangen. Die EU-Mitgliedsstaaten reagieren und handeln unterschiedlich, oft unzureichend, und obwohl es sich um ein grenzüberschreitendes Problem handelt, gibt es derzeit weder eine gemeinsame Definition noch einen wirksamen politischen Ansatz zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt auf EU-Ebene.

Aus diesem Grund hat die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament heute eine Forderung nach Rechtsvorschriften auf EU-Ebene zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet in der anstehenden Richtlinie unterstützt, die sich mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen befasst. Der von den Ausschüssen für bürgerliche Freiheiten (LIBE) und für Frauenrechte (FEMM) angenommene Initiativbericht fordert die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, Mindestvorschriften festzulegen, einschließlich einer gemeinsamen Definition von geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt* und damit verbundener Sanktionen, um verschiedene Formen geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen und sicherzustellen, dass die Opfer in allen Mitgliedsstaaten effektiven Zugang zum Recht und zu spezialisierten Unterstützungsdiensten haben.

Robert Biedroń, Verhandlungsführer der S&D Fraktion für dieses Dossier im Ausschuss für die Rechte der Frau, sagte dazu:

„Das Internet kann für Frauen ein sehr gefährlicher Raum sein. Voller Fallen und ‚Gelegenheiten‘ für Täter, vor allem aufgrund der vorherrschenden Straflosigkeit sowie einer langsamen und unzureichenden Reaktion der Strafjustiz. Bisher hat die EU nicht viel getan, um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen – nach wie vor die Hauptopfer geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt – sich im Internet sicher fühlen können. Ich hoffe, dass sich das mit diesem Bericht endlich ändert. Es ist Zeit, dass die Kommission ihre Bemühungen verstärkt und ohne weitere Verzögerung eine umfassende Richtlinie vorlegt, die alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, auch online, abdeckt.

Wenn Politikerinnen im Internet mit Mord oder Vergewaltigung bedroht werden, wird ihnen oft gesagt, sie sollen es ignorieren. Diese Online-Drohungen und -Angriffe können aber in physische Taten münden, wie beispielsweise die Ermordung der britischen Parlamentsabgeordneten Jo Cox im Jahr 2016. Das darf nicht noch einmal passieren. Als Sozialdemokratische Fraktion fordern wir eine Null-Toleranz-Politik für geschlechtsspezifische Cyber-Gewalt.“

Marina Kaljurand, Verhandlungsführerin der S&D Fraktion für dieses Dossier im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, fügte hinzu:

„Es muss mehr getan werden, um die Belästigung und die anderen Bedrohungen zu bekämpfen, denen Frauen und Mädchen im Internet ausgesetzt sind. Unsere Gesetze wurden nicht angepasst, um auf diese Probleme zu reagieren. Daher fordern wir neue EU-weite Maßnahmen, um auf geschlechtsspezifische Gewalt – online und offline – zu reagieren. Wir brauchen neue Gesetze, die den Kapazitätsaufbau verbessern, Aus- und Weiterbildung für alle relevanten Fachkräfte, Hotlines und zugängliche Meldemechanismen sowie wirksame Rechtsbehelfe für Opfer geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt.

Weitere Maßnahmen zur Förderung digitaler Kenntnisse – etwa Cyberhygiene und Netikette, um die respektvolle Nutzung von Technologie zu gewährleisten – werden ebenso entscheidend sein wie Regulierungen zur Verhinderung des Einsatzes von Spähsoftware und anderen Überwachungsanwendungen, um den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“

Hinweis für die Redaktion:

Derzeit gibt es keine gemeinsame Definition von geschlechtsspezifischer Cyber-Gewalt. Der heute angenommene Bericht empfiehlt die folgende Definition: „Geschlechtsspezifische Cybergewalt ist eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt und wird definiert als jede Handlung geschlechtsspezifischer Gewalt, die teilweise oder vollständig durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie, wie Mobiltelefonen und Smartphones, Internet, Social-Media-Plattformen oder E-Mail, gegen eine Frau begangen, unterstützt oder verschlimmert wird, weil sie eine Frau ist oder Frauen unverhältnismäßig stark betrifft, oder gegen LGBTI-Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, geschlechtlichen Ausdrucksformen oder Geschlechtsmerkmale, und zu körperlichen, sexuellen, psychologischen oder wirtschaftlichen Schäden führt oder führen kann, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben“.

Beteiligte Abgeordnete
Delegationsleiter
Mitglied
Polen
Delegationsleiterin
Mitglied
Estland
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