Pittella: Die EU darf nicht die Geisel von Camerons Launen bleiben. Wir müssen so bald wie möglich ein neues Verhältnis zum Vereinigten Königreich definieren

Nach der Annahme einer Entschließung über den Ausgang des britischen EU-Referendums durch eine überwältigende Mehrheit des Europäischen Parlaments erklärte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella:

„Die Europäische Union muss unser neues Verhältnis zum Vereinigten Königreich so bald wie möglich neu definieren. Wir dürfen nicht Geiseln der parteiinternen Launen der Konservativen in London bleiben. Cameron trägt die historische Verantwortung dafür, Großbritannien aus der EU gedrängt zu haben. Jetzt sollte er wenigstens den Anstand haben, das Austrittsverfahren so zügig wie möglich einzuleiten, bevor er für immer aus der Öffentlichkeit verschwindet.

Kein Referendum wird jedoch die historischen, kulturellen und ideologischen Bindungen zwischen dem britischen Volk und Europa durchtrennen können. Solange das Vereinigte Königreich den Austrittsprozess nicht abgeschlossen hat, bleibt die Europäische Union die Heimat aller britischen Bürgerinnen und Bürger.

Das Ergebnis des Referendums ist aber nicht nur das Resultat des russischen Roulettes, das Cameron gespielt hat. Die Ursachen sind ein falscher Ansatz zur Globalisierung, die beherrschende Stellung des Finanzwesens, die Ungleichheit, die gesellschaftliche Verzweiflung und die Angst vor der Zukunft. In den letzten Jahren hat sich die EU zu sehr auf die Banken und die Finanzwirtschaft und zu wenig auf die Menschen konzentriert. Wir müssen klar machen, dass die Macht der Demokratie größer sein muss als die Macht der Finanzwelt.

Wir fordern die EU-Kommission auf, einen neuen politischen Fahrplan auszuarbeiten, angefangen mit der Sozialagenda und mit einer ehrgeizigen Reform der Richtline über die Entsendung von Arbeitnehmern. Wir müssen die Austeritätspolitik beenden, in dem wir endlich den Stabilitäts- und Wachstumspakt ändern, um öffentliche und private Investitionen anzukurbeln. Die Sozialdemokratische Fraktion wird sich allen Versuchen widersetzen, den Fiskalpakt in einen Verfassungsrang zu erheben. Außerdem muss die Kommission unlauteren Steuerwettbewerb, Steueroasen und Steuerhinterziehung beseitigen und die Empfehlungen des Steuer-Sonderausschusses des Parlaments in die Praxis umsetzen.

Die Europäische Union braucht einen neuen institutionellen Rahmen. Wir müssen die demokratische Legitimität der EU verbessern.

Zu diesem Zweck werden wir im Herbst einen sozialdemokratischen Konvent starten, um eine gemeinsame Plattform für die Reform der Europäischen Union zu errichten.

Wir alle müssen uns der Herausforderung durch diese widrigen Umstände stellen, indem wir die EU zum Besseren reformieren, und nicht, indem wir sie auflösen.“