Gianni Pittella: Ein trauriger Tag für Europa, aber nicht das Ende der EU

Nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses des britischen EU-Referendums sagte der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Gianni Pittella:

„Dies ist ein trauriger Tag für Europa, aber nicht Europas Begräbnis. Wir wollten, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt, aber wir respektieren die Stimme des britischen Volkes. Cameron wird in die Geschichte eingehen als der Premierminister, der das Vereinigte Königreich aus der EU gedrängt hat, weil seine eigene Partei tief gespalten ist. Das ist ein historischer Fehler, dessen Verantwortung er zu tragen hat. Wir begrüßen die Bemühungen aller Europaabgeordneten der britischen Arbeiterpartei und aller Freiwilligen, die sehr hart gearbeitet haben, um ein positives Ergebnis zu erreichen. Trotz dieses Resultats wird das britische Volk für uns immer europäisch bleiben.

Jetzt ist das Vereinigte Königreich draußen. Die EU muss unser neues Verhältnis zu Großbritannien so bald wie möglich abstecken. Wir werden die britische Regierung unverzüglich auffordern, ihren Willen zum Austritt formell zu bekunden, damit Artikel 50 des EU-Vertrags in Gang gesetzt werden kann.

Tiefgreifende Veränderungen sind notwendig. Wir können es uns nicht mehr leisten, uns mit diesem Europa zu begnügen. Die Sozialdemokratische Fraktion wird auf eine neue politische Agenda drängen, angefangen mit der Sozialagenda. Wir müssen endlich das Sozialdumping in Europa beenden. Wir müssen der Austeritätspolitik ein Ende bereiten, indem wir endlich den Stabilitäts- und Wachstumspakt ändern. Die Kommission muss Steuerdumping, Steueroasen und Steuerhinterziehung beseitigen. Wir müssen den Kommissionsplan für die Migration zum Abschluss bringen, mit einer europäischen Grenz- und Küstenwacht, einem funktionierenden Umsiedlungssystem für Flüchtlinge und dem Migrationspakt.

Dabei müssen wir jedoch sicherstellen, dass Europa über die notwendigen Instrumente verfügt, um sich den globalen Herausforderungen zu stellen. Dafür braucht die Europäische Union einen neuen institutionellen Rahmen. Wir werden mit einer Plattform für eine kohärente und ehrgeizige Institutionenreform alle sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien und die Bürgerinnen und Bürger mobilisieren. Wir brauchen die Reform des Systems zur Finanzierung der EU, die Schaffung eines echten EU-Finanzministers mit einem angemessenen Budget und einer Fiskalkapazität, die Schaffung eines europäischen FBI mit echten Ermittlungskompetenzen und endlich ein innovatives und direktes Wahlsystem, um den Präsidenten der EU-Kommission zu wählen.

Auf der Basis unserer Plattform wird die Sozialdemokratische Fraktion auf einen breiten Konsens im Europäischen Parlament hinarbeiten, um die Kommission und die Vetorechte der Regierungen im Rat in Frage zu stellen.

Wir sind fest überzeugt, dass der Status quo einfach nicht akzeptabel ist; er würde das Todesurteil für Europa bedeuten. Wir müssen ein neues Kapitel in der Geschichte der europäischen Integration aufschlagen.“