Sechs Jahre, nachdem die EU die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet hat, rät die Sozialdemokratische Fraktion den EU-Regierungen, die Konvention im Ministerrat schnellstens zu ratifizieren.

Im Rahmen der Überwachung des EU-Beitritts zur Istanbul-Konvention haben Europaabgeordnete einen Zwischenbericht angefertigt, in dem sie den Rat dazu aufrufen, die Opposition der konservativen Minderheit in den eigenen Reihen zu überwinden. Außerdem werden die restlichen sechs EU-Mitgliedstaaten, nämlich Bulgarien, Litauen, Lettland, Tschechien, Ungarn und die Slowakei, aufgefordert, die Konvention auf nationaler Ebene zu ratifizieren. Die Debatte über den Bericht findet am Dienstagnachmittag statt, die Abstimmung darüber am Mittwochmittag.

Angesichts der jüngsten Gegenreaktionen auf die Geschlechtergleichstellung durch konservative Regierungen wie etwa der in Polen fordert der Bericht die nationalen Behörden ferner dazu auf, der Desinformation ein Ende zu bereiten und das Bewusstsein für die Konvention und ihren Nutzen für die Gesamtgesellschaft zu erhöhen.

Łukasz Kohut, Berichterstatter der S&D-Fraktion für den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sagte:

„Frauenrechte sollten nicht Gegenstand der politischen Debatte oder von Meinungsverschiedenheiten sein. Ein Drittel aller Frauen in der EU, also rund 62 Millionen, sind schon einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden, dazu wurden mehr als die Hälfte aller Frauen in der EU mindestens einmal im Leben sexuell belästigt. Vor sechs Jahren hat die EU die Istanbul-Konvention unterzeichnet, bei der es darum geht, Gewalt zu verhüten, die Opfer zu schützen und die Täter strafrechtlich zu belangen. Unser Bericht sendet ein eindeutiges Signal, mit dem wir die Bemühungen der schwedischen Ratspräsidentschaft, den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention zu vollziehen, unterstützen möchten. Die reale Gewalt in vielen Heimen muss, so schnell es geht, beendet werden!“

Pina Picierno, Schattenberichterstatterin der S&D-Fraktion im Ausschuss für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung, sagte:

„Jeden Tag werden 137 Frauen von ihrem Partner oder einem Familienangehörigen getötet. Jede dritte Frau weltweit hat im Laufe ihres Lebens schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Gewalt gegen Frauen ist ein globales Phänomen, bei dessen endgültiger Ausrottung Europa die Führung übernehmen muss. Durch eine schnellstmögliche Ratifizierung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen würde die Europäische Union klar Stellung gegen geschlechtsbezogene Gewalt in der EU beziehen. Damit sind wir jedoch noch nicht am Ende des Weges angelangt. Wir sind fest zu weiteren Maßnahmen zum Schutz von Frauen entschlossen, etwa indem wir sicherstellen, dass geschlechtsbezogene Gewalt in allen EU-Mitgliedstaaten als Straftat gilt, damit jeder geschlechtsbezogene Missbrauch in vollem Ausmaß geahndet werden kann. Momentan arbeiten wir an neuen EU-Rechtsvorschriften, die die Opfer schützen und unterstützen sollen und die dazu beitragen können, geschlechtsspezifische Verbrechen von vornherein zu unterbinden.“

Hinweis für die Redaktion:

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur Schaffung eines europaweit einheitlichen Rechtsrahmens, um Frauen gegen Gewalt zu schützen und um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern, strafrechtlich zu verfolgen und gänzlich auszumerzen. In der Konvention wird Gewalt gegen Frauen als Verstoß gegen die Menschenrechte anerkannt.

Bislang haben 21 EU-Mitgliedstaaten die Istanbul-Konvention ratifiziert. Es fehlen noch Bulgarien, Litauen, Lettland, Tschechien, Ungarn und die Slowakei.

Die EU hat die Konvention im Juni 2017 unterzeichnet. Der Europäische Gerichtshof stellte in einem am 6. Oktober 2021 veröffentlichten Gutachten, das auf Antrag des Europäischen Parlaments erstellt wurde, fest, dass die Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch die Europäische Union per Ratsbeschluss vorgenommen werden kann.

Beteiligte Abgeordnete
Mitglied
Polen
Mitglied
Italien