Angesichts des brutalsten Angriffs auf den Frieden in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg sind die Menschen in der Ukraine eine selbstverständliche Wahl für den Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2022*. Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament hat sich mit einer klaren Botschaft für ihre Nominierung entschieden: Die Ukrainer und Ukrainerinnen kämpfen für unsere Demokratie und Freiheit und verdienen daher unsere uneingeschränkte Unterstützung.

Der Sacharow-Preis wird an Verteidiger der Menschenrechte und des Völkerrechts verliehen und trägt den Namen des russischen Dissidenten Andrej Sacharow. Deshalb ist es eine höchst symbolische Geste, diesen Preis zu diesem kritischen Zeitpunkt in ihrem Kampf gegen die vom Russen Wladimir Putin begonnene Invasion an die Ukraine zu vergeben.

Wir nominieren daher das Volk der Ukraine, vertreten unter anderem durch den Staatlichen Dienst für Notfallsituationen (SES) der Ukraine, Julia Pajewska, Oleksandra Matwijtschuk, die zivile Widerstandsbewegung „Gelbes Band“ und Iwan Fedorow**. Diese Vertreter der Zivilgesellschaft und  von Institutionen leisten Nothilfe für vom Krieg betroffene Menschen und verteidigen die Menschenrechte, die ukrainische Eigenstaatlichkeit und die Demokratie.

Pedro Marques, für Außenpolitik zuständiger Vizevorsitzender der S&D Fraktion, sagte dazu:

„Seit Februar führt das ukrainische Volk einen ungleichen Kampf gegen den brutalen Angreifer, der die Menschenrechte unzähliger Zivilisten mit Füßen tritt. Dennoch verteidigt es standhaft sein Land, aber auch unsere europäische Demokratie und Freiheit.

Viele mutige Ukrainerinnen und Ukrainer werden namenlos und unerkannt bleiben. Dennoch leistet jeder und jede von ihnen, sei es durch aktiven Widerstand oder durch die Unterstützung der Schutzbedürftigsten, einen grundlegenden Beitrag zur Wahrung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten auf dem europäischen Kontinent.

Gemeinsam sind die heldenhaften Menschen der Ukraine die lebendige Verkörperung all dessen, was der Sacharow-Preis fördert: Achtung des Völkerrechts, Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie verdienen unsere uneingeschränkte Unterstützung, einschließlich dieser höchsten Anerkennung der EU für Verteidiger der Menschenrechte.“

 

Hinweis für die Redaktion:

*Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit wurde erstmals 1988 an Nelson Mandela und Anatolij Martschenko verliehen. Er würdigt Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen, die einen herausragenden Beitrag zum Schutz der Menschenrechte geleistet haben. Mehrere Preisträger, darunter Nelson Mandela, erhielten später den Friedensnobelpreis.

Das Europäische Parlament verleiht den Sacharow-Preis im Rahmen einer feierlichen Plenartagung in Straßburg gegen Ende jeden Jahres. Jede der Fraktionen des Parlaments kann Kandidaten benennen, und gemeinsam entscheiden sie über eine engere Auswahlliste von drei Kandidaten. Der endgültige Gewinner wird von der Konferenz der Präsidenten ausgewählt, einem Gremium des Europäischen Parlaments, das sich aus dem Parlamentspräsidenten und den Vorsitzenden aller Fraktionen im Parlament zusammensetzt. Die Entscheidung wird im Oktober 2022 erwartet.

** Die Kandidaten: das Volk der Ukraine, vertreten unter anderem durch folgende Organisationen und Personen:

Der Staatliche Dienst für Notfallsituationen (SES) der Ukraine rettet Menschen aus den Trümmern und Bränden, die durch die täglichen Bombardierungen verursacht wurden, beseitigt Schutt und Blindgänger, um eine sichere Passage für Einwohner und humanitäre Helfer zu gewährleisten, und evakuiert Menschen an sicherere Orte. Laut Daten von Ende Juni 2022 hat der SES auf über 38.000 Notfallsituationen reagiert, 10.078 durch Beschuss verursachte Brände gelöscht, 1.861.000 Menschen evakuiert, 1487 Menschen gerettet und 620 Quadratkilometer verminte Gebiete geräumt. Verluste: 39 Tote, 122 Verletzte, sechs Gefangene und eine vermisste Person. Mehr als 3500 Retter sind in Gebieten im Einsatz, die nicht von der Ukraine kontrolliert werden. Seit dem 24. Februar 2022 sind mehr als 5500 Freiwillige dem SES beigetreten, der aus 70.000 Mitarbeitern besteht.

Julia Pajewska („Taira“) – Ukrainische Freiwillige, Sanitäterin. Gründerin der medizinischen Evakuierungseinheit „Tairas Engel“. Seit 2014 rettet sie Militärs und Zivilisten im Donbass das Leben. Im März 2022 geriet sie während der Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol in eine drei Monate dauernde russische Gefangenschaft.

Oleksandra Matwijtschuk – Menschenrechtsanwältin, Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation „Zentrum für bürgerliche Freiheiten“. Seit dem 24. Februar dokumentiert Matwijtschuk zusammen mit einem Team von Freiwilligen, Anwälten und Anwaltsgehilfen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der russischen Armee in der Ukraine begangen wurden. Ihr Team arbeitet als Teil einer größeren Initiative namens „Tribunal für Putin“, die bisher 17.000 Straftaten der russischen Armee dokumentiert hat. Matwijtschuk setzt sich dafür ein, den Opfern des russischen Krieges gegen die Ukraine Gerechtigkeit zu verschaffen.

Ihr Engagement für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und  die Hilfeleistung für die Opfer geht auf die Maidan-Ereignisse im Jahr 2014 zurück. Damals koordinierte sie die Bürgerinitiative Euromaidan SOS. Später führte sie mehrere internationale Mobilisierungskampagnen für die Freilassung von politischen Häftlingen durch. Sie ist Autorin von Menschenrechtspublikationen und Mitverfasserin eines Jahresberichts zur Überwachung der politischen Verfolgung der Zivilgesellschaft in der Ukraine.

Die zivile Widerstandsbewegung „Gelbes Band“ entstand in der vorübergehend besetzten Stadt Cherson und inspirierte bald zahlreiche Menschen zu zivilem Widerstand in anderen besetzten Gebieten, einschließlich Melitopols und der Halbinsel Krim. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Meinungsfreiheit und durchkreuzt Russlands Vorhaben für besetzte Gebiete. Die Bewegung ermutigt die ukrainische Bevölkerung, Widerstand zu leisten und die russische Besatzung anzuprangern, indem sie blaue und gelbe Bänder und andere ukrainische Symbole im öffentlichen Raum malt, und, was noch wichtiger ist, sich zu mobilisieren und russische Truppen daran zu hindern, ein Pseudo-Referendum in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine abzuhalten. Sie erstellt und verteilt Flugblätter, inspiriert Menschen in der Besatzung und informiert die ukrainischen Behörden und die internationale Öffentlichkeit darüber, was in den besetzten Gebieten passiert. Ukrainische Journalisten ernennen die Bewegung wegen ihres Beitrags zur Redefreiheit als nominierungswürdig für den Sacharow-Preis.

Iwan Fedorow war Bürgermeister von Melitopol bis zum 11. März 2022, als er von russischen Streitkräften entführt und durch einen prorussischen Übergangsbürgermeister ersetzt wurde. In der ukrainischen Bevölkerung war Fedorow zu einem Symbol für den Widerstand gegen die Unterdrückung und zu einem Vorbild für Mut angesichts einer Invasion geworden. Vor seiner Entführung kümmerte sich Fedorow um die 150.000 Einwohner von Melitopol, und nach seiner Freilassung setzt er sich weiterhin für internationale Unterstützung der Menschen in Melitopol ein, die unter russischer Besatzung leben.

Beteiligte Abgeordnete
Vizevorsitzender
Portugal
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